Klassenzimmer des Monats: Polnisch

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Wer die Natur mag, muss Polen lieben. Ganze 23 Nationalparks besitzt das Land, darunter den letzten Tiefland-Urwald Europas, den Białowieża-Nationalpark im Osten. Im Norden gibt es weite Ostseestrände, im Süden große Gebirge. Auch Übernatürliches ist mitunter in der polnischen Natur zuhause: Das Riesengebirge an der Grenze zu Tschechien bewohnt bekanntlich der Berggeist Rübezahl, beziehungsweise Liczyrzepa, wie er auf Polnisch heißt. Außerdem grenzt Polen an die Slowakei, die Ukraine, Belarus, Litauen sowie an die russische Exklave Kaliningrad. Das Land versteht sich als Brücke auf dem Weg von West- nach Osteuropa.

Die Geographie Polens ist nur ein Teil der großen Vielfalt dieses Landes, die polnischsprachige Schülerinnen und Schüler der Europäischen Schule München im Polnischunterricht und in den Europäischen Stunden lernen. Im Zentrum steht dabei natürlich die polnische Sprache, die von muttersprachlichen Lehrkräften vermittelt wird. Die jüngeren Schulkinder lesen im Unterricht das bei polnischen Kindern weltberühmte Gedicht „Lokomotywa“ von Julian Tuwin. Geschickt ahmt es lautmalerisch die Geräusche einer Lokomotive nach. Polnische Schülerinnen und Schüler an der Europäischen Schule München sind Teil der SWALS, der Students without a language section, wie die internationale Sektion an den Europäischen Schulen offiziell genannt wird. Sie sind bei einer der größeren Sprachsektionen eingeschrieben und erhalten zusätzlich Unterricht, in dem sie neben der polnischen Sprache die Geschichte des Landes und seine Kultur lernen.

Jugendliche finden in der Höheren Schule zunächst über zeitgenössische Werke einen altersgerechten Zugang zur polnischen Literatur. Sicher kennen nicht alle Menschen die „Saga o Wiedźminie“ von Andrzej Sapkowski im polnischen Original. Aber Millionen Menschen weltweit haben die Fantasy-Serie „The Witcher“ auf Netflix gesehen oder das gleichnamige Computerspiel gespielt, die beide auf der Romanreihe der „Geralt-Saga“ basieren. Auch der Science-Fiction-Autor Stanisław Lem ist weit über Polen hinaus bekannt. Im Polnischunterricht liest man seine mal humorvollen, mal philosophischen Geschichten natürlich auf Polnisch. In den höheren Klassen steht dann auch zunehmend ernste polnische Literatur und Lyrik auf dem Lehrplan, wie etwa die Werke der Literaurnobelpreisträgerinnen Wisława Szymborska, Olga Tokarczuk oder anderen.

Polen hat nicht nur bekannte Autorinnen und Autoren hervorgebracht, die sich wie Lem fiktiv mit Technologien beschäftigen. Polinnen und Polen sind auch entscheidende wissenschaftliche Fortschritte in der realen Welt zu verdanken. Da ist zum Beispiel der Astronom Nikolaus Kopernikus, der 1543 das heliozentrische Weltbild beschrieb, das die Sonne – und nicht die Erde – in den Mittelpunkt des Universums stellt. Eine Erkenntnis mit tiefgreifenden Folgen weit über die Wissenschaft hinaus: Die Kopernikanische Wende steht für das Ende des Mittelalters und den Übergang zu Aufklärung und Rationalität in der Neuzeit. Auch in der jüngeren Geschichte treffen Schülerinnen und Schüler aller Sprachsektionen auf eine bedeutende Figur der Wissenschaft, und zwar im Fach Chemie. Das radioaktive Element Polonium ist eines der wenigen chemischen Elemente, das nach einer Nation benannt ist. Marie Skłodowska Curie wollte mit diesem Namen an ihr Heimatland erinnern. Die Wissenschaftlerin und zweifache Nobelpreisträgerin wurde in Warschau geboren.

Neben der Sprache und der Wissenschaft spielen auch polnische Bräuche, Traditionen und Kultur eine wichtige Rolle im Unterricht. Den jüngeren Kindern im Kindergarten und der Grundschule werden diese zum Beispiel im Rahmen von gemeinsamen Feiern und Aktivitäten vermittelt. Musik ist dabei ebenfalls von Bedeutung. Bevor jemand fragt: Nein, mit der Polonäse Blankenese, die deutsche Karnevalisten tanzen, hat das Land Polen überhaupt nichts zu tun. Mit dem europäischen Komponisten Frédéric Chopin dagegen sehr wohl. Sein Vater war Franzose, seine Mutter Polin. Die älteren Schülerinnen und Schüler lernen schließlich zunehmend die Fakten über die bekanntlich sehr bewegte polnische Geschichte kennen.

So lernen sie, dass das Königreich Polen bereits 1025 gegründet wurde ebenso, wie dass das Land immer wieder von den Großmächten im Osten und Westen zerrissen wurde. Auch deshalb haben viele polnische Bürgerinnen und Bürger heute ein starkes Geschichtsbewusstsein. Der Polnischunterricht an der Europäischen Schule München hat das Ziel, dieses Bewusstsein auch bei den Schülerinnen und Schülern zu wecken. Es geht darum, ihnen die vielen Stationen der polnischen Geschichte, ihre Besonderheiten und ihr Rolle im europäischen Kontext nahezubringen - von der Gründung des Königsreichs über die erste moderne Verfassung Europas vom 3. Mai 1791 bis zum Systemwechsel durch den Einfluss der Solidarność-Bewegung zum heutigen Polen.

Nicht zuletzt stammt aus Polen ein äußerst wichtiger Beitrag zur modernen Pädagogik. Der jüdische polnische Kinderarzt und Pädagoge Janusz Korczak formulierte in den 1920er Jahren als einer der ersten Pädagogen überhaupt Kinderrechte. Er forderte unter anderem, Kinder als Persönlichkeiten ernst zu nehmen und sie mit dem gleichen Respekt wie Erwachsene zu behandeln. Vor hundert Jahren war das bei weitem noch keine Selbstverständlichkeit. Wenn wir uns an der Europäischen Schule München heute also im gegenseitigen Respekt nicht nur zwischen den Nationalitäten und Kulturen, sondern auch zwischen den verschiedenen Generationen begegnen, dann können wir uns dabei daran erinnern, dass diese Idee in Polen geboren wurde.

Steckbrief Polen

  • Hauptstadt: Warszawa (Warschau)
  • Einwohnerzahl: 38,18 Millionen (Stand 2021)
  • Nationalfeiertag: 11.11. ist der Polnische Unabhängigkeitstag. Es wird die Wiedererlangung der Unabhängigkeit von Polen im Jahr 1918 nach 123 Jahren Teilung gefeiert.
  • Beitritt zur EU: 1. Mai 2004
  • Das europäische Motto „In Vielfalt geeint“ lautet auf Polnisch „Zjednoczeni w różnorodności“.
  • Schülerinnen und Schüler mit polnischer Staatsbürgerschaft im System der Europäischen Schulen: 1170,75 (2022)
  • Diese polnische Redewendung sollte man kennen: Bez pracy nie ma kolaczy- Ohne Fleiß kein Preiß.

Weitere Informationen:

In dieser Artikelreihe stellt die Europäische Schule München ein oder mehrere „Klassenzimmer des Monats“ vor. Ziel ist es, den liebevoll und aufwändig dekorierten Zimmern zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen und das Verständnis unter den verschiedenen Nationalitäten und Sprachen zu fördern. Das „Klassenzimmer des Monats“ ist kein Wettbewerb. Vielmehr sollen mit der Zeit alle Bereiche der ESM vorkommen. Die aktuelle Auswahl erfolgt nach dem Zufallsprinzip.